[Antifa History] Remember the past – fight in the present! #1: Der Mössinger Generalstreik 1933

+++50 Personen besuchen Film und Diskussion+++
+++70-100 Personen beteiligen sich an historischem Gedenkspaziergang+++
+++120 Personen nehmen an Kundgebung anlässlich des 85. Jahrestags des Generalstreiks teil+++
+++Otto-Merz-Straße in Jakob-Textor-Straße umbenannt+++

Am Abend des 30. Januar, dem Vorabend des Generalstreiks, fand im gut gefüllten Club Voltaire in Tübingen eine Veranstaltung zum Mössinger Generalstreik statt. Hierbei wurden Ausschnitte des Films „Da ist Nirgends Nichts gewesen, außer Hier“ gezeigt. In diesen berichten Zeitzeugen, Streikende und Historiker sehr detailliert, über das damals Geschehene. „Ich täts wieder tun!“ sagte da Einer und berührte damit alle Anwesenden.
Das kann nur als klare Aufforderung verstanden werden, sich auch Heute den Rechten jedweder Couleur offensiv entgegenzustellen. In der anschließenden Diskussion war dies eben so Thema ,wie die lokale Verankerung der Kommunist*innen in den damaligen Arbeiter*innenvereinen und im örtlichen Leben. Nicht ohne Grund beteiligten sich hier über 800 Menschen am Generalstreik gegen die Machtübertragung auf Hitler und die deutschen Faschisten.
Dies, so war die Meinung vieler, müsse Linken als positives Beispiel dienen und es sei eine ihrer Aufgaben, Ereignisse wie diese nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Am 03. Februar trafen sich ca. 70-100 Menschen vor der Langgass-Halle, der ehemaligen Turn- und Versammlungshalle der Mössinger Arbeiter*innenvereine. Hier begann der historische Gedenkspaziergang auf den Spuren des Generalstreiks durch den der, mit dem Streik sehr bewanderte, Lokaljournalist Jürgen Jonas führte. „Von dieser Halle, welche von den Arbeiter*innen selbst errichtet worden war, hatte sich der Streikzug in Bewegung gesetzt“, erzählte er. „Vor der Pausa, einem ansässigen Textilbetrieb, warteten die Streikenden auf das Abstimmungsergebnis der Angestellten. Diese beschlossen sich anzuschließen und so zogen sie weiter zur Trikotfabrik Merz. Seinen Arbeiter*innen drohte der Fabrikinhaber Otto Merz mit dem sofortigen Rauswurf, seinen Worten ließ er Taten folgen. Es beteiligten sich dennoch Viele. Andere wurden auch von ihren Maschinen gerissen und so zum Mitmachen genötigt. Dies sei ein Schatten auf dem Streik, der aber in seiner Art trotzdem das Richtige gewesen ist“, so Jonas. „Danach ging es zu Burkhardt, hier standen sie vor verschlossenen Türen. Als die Staatsmacht anrückte zersprengten sich die Streikenden, es gab aber Festnahmen. In den Folgetagen gab weitere, über hundert Verurteilungen standen am Ende zu Buche. Auch nach Ende der faschistischen Diktatur war nichts mehr wie es einmal war in Mössingen. Das zeigt insbesondere der Umgang mit dem Ereignis. Es dauerte Jahrzehnte bis die Stadt eine Gedenktafel an der Langgass-Halle anbringen ließ.

Bei der im Anschluss stattfindenden Kundgebung kritisierte Andrea Ayen, selbst Nachfahrin von Streikteilnehmern, genau diesen Umgang. Sie forderte einen öffentlichen Platz als Gedenk- und Erinnerungsort, sowie eine Dauerausstellung über den Generalstreik, um Mössingen hiermit und nicht nur mit schönen Wanderwege und Hotels berühmt und für Touristen attraktiv zu machen. Danach folgten die Redebeiträge von LiSt (Linke im Steinlachtal), sowie vom DGB, der von Jan Becker vertreten wurde. In seiner Rede schilderte er heutige gewerkschaftliche Auseinandersetzungen mit neuen rechten „Gewerkschaften“ und Arbeitnehmervereinigungen, welche im Fahrwasser der AfD mitrudern und was ihr Erstarken und Entstehen für künftige Betriebsratswahlen und Tarifverhandlungen bedeutet. In der Rede der VVN-BdA sprach Janka Kluge über einen weltweiten Rechtsruck sowie die Notwendigkeit von antifaschistischer Erinnerungsarbeit in diesen Zeiten. Außerdem rief sie alle Antifaschist*innen zur gegenseitigen Solidarität auf. Verschiedene praktische Herangehensweisen und Aktionsformen sollten und dürften kein Spaltungsgrund sein. Die folgende Rede der Antifaschistischen Aktion [Aufbau] Tübingen behandelte die Frage der gemeinsamen Organisierung hin zu einer antifaschistischen Massenbewegung und betonte, dass antifaschistische Praxis nicht an der Frage der Legalität sondern an der Frage der Legitimität und der politischen Notwendigkeit ausgerichtet werden müsse. „Das dies mitunter Repression von Seite des Staates bedeutet, erleben Antifaschist*innen immer wieder“, so die Antifaschist*in, „Damals wie Heute“. Die letzten beiden Reden kamen von einer Gruppe junger Kommunist*innen und der DKP. Im Anschluss an die Reden informierten sich viele am Infotisch, auf dem Flyer und Broschüren, der verschiedenen aufrufenden und unterstützenden Gruppen, auslagen. Insgesamt nahmen ca. 120 Interessierte an der Kundgebung teil.

Zusätzlich zu Gedenkspaziergang und Kundgebung haben einige Antifaschist*innen die Schilder der Otto-Merz-Straße in Jakob-Textor-Straße verändert. Der Maler Jakob Textor hat am Streik 1933 teilgenommen und wurde hierfür wegen „Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit erschwertem Landfriedensbruch“ verurteilt. Jakob Textor war wie viele Andere Mitglied im Arbeitersportverein und ein Aktivist der Arbeiterbewegung. Otto Merz dagegen war Fabrikant und der Erste der die Staatsmacht gegen die Streikenden auf den Plan rief. Im Nachgang feuerte er viele seiner Angestellten aufgrund der Teilnahme am Streik gegen Hitler und die deutschen Faschisten.

Bilder:

Im Folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag:

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, Liebe Anwesende,

Mit dem Auftreten von HoGeSa, PeGiDA und den öffentlichen Kursdebatten in der AfD wurden rassistische, sexistische und antifeministische Ausfälle wieder salonfähig.
Mit Beginn der „Fluchtkrise 2015“ setzen rechtspopulistische Kräfte auf rassistische Mobilmachung gegen Geflüchtete und auf eine verstärkte Ablehnung der bürgerlichen Medien, Stichwort Lügenpresse. Dies lässt sich weltweit beobachten, so gehen auch auch international Rechte gegen Journalisten und die Presse vor, die beiden prominentesten Beispiele sind sicherlich Trump und Erdogan.

In ihrer Propaganda stilisieren sich Rechte häufig als Opfer und zugleich einzige Alternative zur aktuellen Politik. Dabei vergessen viele der Befürworter rechter Politik und Einstellungen , dass sich diese immer gegen sie richten. Vordergründig scheint sie sich für die „Rechte des deutschen Volkes“ einzusetzen, der Rattenschwanz der sich dadurch ergibt wird aber ignoriert. So dient diese Propaganda nicht zuletzt dazu, die Bevölkerung zu spalten.

Den Lohnabhängigen soll mit dem Feindbild „Flüchtling/Ausländer“ eine Bedrohung von außen suggeriert werden. Dabei ist es die Politik der Herrschenden und des Kapitals die sich gegen die Lohnabhängigen richtet. Zunehmender Sozialabbau und damit die einhergehende Verschlechterungen der Lebenssituation sind im direkten Interesse des Kapitals, denn hier durch können Profite gesteigert werden. Eine Arbeiter*innenbewegung die gegen einen vermeintlichen Feind von außen kämpft, kämpft nicht gegen eben jene Politik. Mehr noch, sie zerfrisst sich selbst und ist am Ende nicht mehr in der Lage gegen die Kürzungen und für mehr Lohngerechtigkeit zu kämpfen. Daher ist es für uns unabdingbar im Kampf gegen Rechts den Kapitalismus als Erhalter und Beförderer von rechten Einstellungen zu kritisieren.

Eine Antwort auf die Verschiebung der gesellschaftlichen Verhältnisse nach Rechts liegt für uns in der Frage der Organisierung.

Wie überzeugen wir mehr Menschen davon sich offensiv gegen Rechts aufzulehnen?
Wie muss antifaschistisch organisiert werden?
Wie können wir den Rechten wirkungsvoll etwas entgegensetzen?

Immer wieder wird versucht mit großen bundesweiten Bündnissen aus Parteien, Gewerkschaften und NGOs etwas gegen Rechts zu tun, jedoch werden diese dann vor allem als Bühne zur Selbstrepresentation missbraucht, eine gemeinsame Linie gibt es nicht. Diese Bündnisse erreichen zwar eine breite Öffentlichkeit, bleiben aber ein konkretes Handeln schuldig, mehr noch, eine lokale Wahrnehmbarkeit ist häufig nicht vorhanden.

Wir sind der Meinung, das antifaschistische Akteure sich zunächst lokal aufstellen müssen, das heißt eine lokale Verankerung halten wir für wichtiger als eine bundesweite Wahrnehmbarkeit. Wir wollen Anlaufstellen bieten an denen jede*r mitmachen kann, unsere Aktionen so gestalten, dass sich viele daran beteiligen.

Unser Ziel ist der Aufbau einer Antifaschistischen Bewegung. Einer Bewegung die nicht tatenlos dabei zusieht wie sich Rechte überall breit machen sondern entschieden dagegen vorgeht. Das beinhaltet für uns auch das Blockieren, Stören und Verhindern von rechten Auftritten, egal wann und wo diese stattfinden sollen. Dafür brauchen wir lokal arbeitende Bündnisse, welche handlungsfähig sind, sich auf eine gemeinsame Linie einigen können, und in denen verschiedene Aktionsformen ihre Legitimität besitzen. Denn nur gemeinsam und auf verschiedenen Ebenen können wir den Rechten die Stirn bieten. Um das zu erreichen müssen wir uns organisieren. Nur wenn wir kontinuierlich Zeit und Energie in den Aufbau eigener Strukturen stecken können wir eine Wirkung entfalten.

Anhand von historischen Ereignissen können wir Schlüsse für unsere eigene Praxis ziehen:
Was hat funktioniert? Was nicht? Welche Fehler wurden gemacht?

Das Beispiel Mössingen zeigt, was möglich ist, wenn linke Kräfte lokal verankert, ja gut organisiert sind. Damals waren auch nicht viele Teil der Kommunistischen Partei, das lokale Ansehen und die Verankerung haben dazu geführt, dass sich viele Mössinger*innen an den Streikaktionen beteiligt haben trotz zu erwartenden Strafen und Verurteilungen im Falle eines Scheiterns.

Die Streikenden von 1933 waren im Nachgang ihres Auflehnens mit etlichen Strafverfahren konfrontiert. Fast 100 wurden vor dem Landgericht Tübingen angeklagt, wegen Hochverrats und Landfriedensbruch. Wie die Streikenden damals, so sind Antifaschist*innen auch heute von Repression betroffen und so ist es gerade zu ironisch das nachwievor einer der am häufigsten formulierten Vorwurfe Landfriedensbruch ist. Landfriedensbruch ist eine Kollektivstrafe mit der es möglich ist, ganze Gruppen von Demonstrierenden abzuurteilen, ohne dass es konkrete Tatvorwürfe gegen Einzelne gibt.
Und dass der Staat durchaus kein Interesse an starkem antifaschistischem Engagement hat zeigt ein Vorfall der sich jüngst in Rottenburg ereignete: Faschisten der Kleinstpartei „Dritter Weg“ griffen einen Infostand von Antifaschist*innen an. Nun sind die antifaschistischen Aktivist*innen, welche sich lediglich selbstverteidigten, mit verschiedenen Strafverfahren konfrontiert. Der Staat ist somit für uns kein Partner im Kampf gegen Rechts!

Konkreter Antifaschismus muss von uns selbst gemacht werden. Dabei setzen wir uns unsere Grenzen selbst und richten unsere Aktionen nicht an der Frage der Legalität sondern an der (Frage) der Legitimität aus.

In diesem Sinne:
Gegen das Vergessen!
Für einen konsequenten Antifaschismus!
Die Antifaschistische Aktion aufbauen!