Die AfD in Reutlingen und nach der Wahl

Am Donnerstag, 10. März 2016 ereignete sich in Reutlingen eine Wahlkampfveranstaltung der rechten Partei „Alternative für Deutschland“.

Dabei erstrahlte die Reutlinger Stadthalle ganz in blau – der Parteifarbe der „Alternative für Deutschland“ und bot nicht nur Rechtskonservativen, National- Neoliberalen und „besorgten Bürgern“ eine Plattform für hole, rechtspopulistische Phrasen. Darüber hinaus beherbergte die Stadthalle Reutlingen, als „hundertprozentige Tochter [GmbH] der Stadt Reutlingen“, an diesem Abend auch zahlreiche organisierte Faschisten und VertreterInnen der sog. Neuen Rechten.
Die mit mehreren Hundertschaften BFE, Hunde- und Reiterstaffel anwesende Polizei diente nicht etwa dazu, dass vorhandene gewalttätige Potential der BesucherInnen dieser rechten Veranstaltung in den Griff zu kriegen, als viel mehr den breit aufgestellten Protest weiter Teile der Gesellschaft, antifaschistischer Organisationen, Parteien und Gewerkschaften zu kriminalisieren. Die Cops setzten zwar alles daran, mit ihren Knüppeln und mitgebrachten Absperrgitter den reibungslosen Ablauf der AfD-Veranstaltung zu garantieren, konnten oder wollten einen rassistischen Übergriff von AfD-Anhängern auf einen geflüchteten Menschen, welcher nach der Attacke in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste, nicht verhindern. Dieser körperliche Angriff fand direkt vor der Stadthalle, im Vorfeld der Veranstaltung statt und eröffnet ein kleines Fenster mit welchen gesellschaftlichen Entwicklungen wir es in naher Zukunft, unter der wachsenden Einflussnahme der „Alternative für Deutschland“ zu tun bekommen könnten.

Die Wahlkampfveranstaltung der AfD verhindern!

Nicht nur gegen die Veranstaltung der AfD, sondern auch gegen die menschenfeindlichen Inhalte dieser Partei und ihre AnhängerInnen, formierte sich breiter Prostest. So versammelten sich rund 1000 Menschen um eine Bühne neben der Stadthalle, um ihren Widerstand gegen einen gesellschaftlichen Rechtsruck Ausdruck zu verleihen. Mittels eines kleinen Aufrufs linksradikaler und antifaschistischer Gruppen, unter anderen der Antifaschistische Aktion [Aufbau] Tübingen und dem Offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und die Region (OTFR), konnten ca. 100 Menschen aus Tübingen mobilisiert werden. Der Einladung nach der Kundgebung die Zugänge zur Stadthalle mit Menschenketten direkt zu blockieren, schlossen sich ca. 500 Menschen gerne an. Den Abschluss der gemeinsamen Aktionen bildete eine Spontandemonstration, welche sich zwar unter immenser Polizeibegleitung, jedoch lautstark und kämpferisch mit 300 TeilnehmerInnen zum Bahnhof bewegte. Über den ganzen Abend hinweg ertönten Parolen wie „Ob PEgIdA oder AfD – Stoppt den Rechtsruch in der BRD“ „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ oder „Say it loud, say it clear, Refugees are welcome here“.

Gegen den Rechtsruck und einen gesellschaftspolitischen Rollback

Seit letzten Sonntag ist aus der Befürchtung eine Gewissheit geworden: Die offen rechte und populistische AfD ist nun in der Hälfte aller Landesparlamenten der BRD vertreten. In Baden-Württemberg erreichte die Partei 15% und überholt damit auch die Sozialdemokraten. In Rheinland-Pfalz sind es nur geringfügig weniger Prozentpunkte (12%). In Sachsen-Anhalt schaffte die „Alternative für Deutschland“ mit 24,2% als zweitstärkste Fraktion den Einzug in den Landtag.

So erschreckend sich dieses Ergebnis präsentiert, wollen wir nicht der Ratlosigkeit und Resignation verfallen! Es ist vielmehr an der Zeit – und dringender denn je – uns der anstrengenden und verantwortungsvollen Aufgabe des nachhaltigen Struktur-Aufbaus zu widmen und so auf verschiedenen Ebenen eine wirkliche antifaschistische Gegenmacht wieder dem rechten Wahn aufzubauen. Nur eine organisierte, antifaschistische Bewegung mit lokal verankerten Gruppen, wird im Stande sein, in Zeiten des Rechtsrucks und einer aggressiven faschistischen Bewegung, dem effektiv etwas entgegen zu setzen, sich aufzubauen und von gemachten Erfahrungen zu profitieren.

Das bedeutet für antifaschistische Gruppen auf der einen Seite, verlässliche und kontinuierliche Ansprechpartnerinnen zu sein, Bündnisse zu schmieden, die auch einzelne EventMobilisierungen überdauern um in der Stadt oder Region eine breite Front gegen die Faschisten und rechten Hetzer zu bilden. Wir müssen es perspektivisch schaffen, in dieser breiten Front alle zu vereinen, die objektiv kein Interesse an Faschismus und Spaltung haben. Das klingt in der Theorie zwar recht abstrakt und trocken, ist aber in Ansätzen schon länger gängige Praxis.

Theorie ohne Praxis ist leer, Praxis ohne Theorie blind

Natürlich ist ein Teil der Antifa-Arbeit immer ein Stück weit „Feuerwehr-Arbeit“, das liegt in der Natur der Sache. Wir müssen also, wenn rechte Kräfte in einer Gegend merklich erstarken, wenn Nazis im Alltag die Hoheit auf der Straße gewinnen, sie zurückschlagen und lokale Kräfte unterstützen. Wir wären kein ernst zu nehmenden AntifaschistInnen, würden wir unsere Politik und Aktionen nach den Maßstäben unserer Bequemlichkeit planen. Aufgabe soll vielmehr sein, über Ursachen faschistischer Ideologien aufzuklären, ihre Gefahr und Aktualität zu zeigen und sie dort zu demaskieren wo sie sich offenbaren, indem wir uns ihnen gemeinsam und entschlossen entgegenstellen.
Für die sonstige Arbeit gilt: Den Rechten und Faschisten kann vor allem dann geschadet werden, wenn wir uns nicht von ihnen treiben lassen. Gemeinsam, überlegt und selbstbestimmt in der Wahl unserer Mittel entscheiden wir auf Grundlage aktueller politischen Einschätzungen unserer Kräfte, wann, wo und wie wir die Faschisten angreifen.

Die Antifaschistische Aktion aufbauen!

Informiert Euch über „Die AfD nach den Wahlen“ bei der Informations- und Diskussionsveranstaltung von der RosaLuxemburgStiftung, Tübinger Forschungsgruppe für Integration | Migration | Jugend | Verbände, und dem Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und die Region (OTFR)

Achtet auf weitere Ankündigungen bezüglich der Gegenaktivitäten zum AfD Bundesparteiprogrammtag in Stuttgart 30.04/01.05